30.04.2024 -- 53.159 // Zuwachs zum 15.04.24: 1.865
Kurt Cobain in der russischen Provinz
Von Kurt Cobain ist -angeblich- folgendes Zitat überliefert: Niemand stirbt als Jungfrau, das Leben fickt uns alle. Das Motto hat es bis in die russische Provinz geschafft. Es ziert die Profilseite von Jewgeni Pschenitschnikow, der in der Stadt Polewskoi im Ural lebte. Im Krieg gegen die Ukraine wurde das Zitat für Jewgeni Realität.
Schokoriegel, Wurst & Käse
Im Bild zeigen wir heute eine (übersetzte) Traueranzeige für Wladislaw Andrejewitsch Butorinin, geb. 09.08.1998. Der junge Mann kam aus der Großstadt Miass in der Region Tscheljabinsk und man wundert sich, dass solch ein freundlicher junger Mann im Krieg gegen die Ukraine gefallen ist. Die Antwort findet man in den Gerichtsprotokollen. Wladislaw war hungrig und versucht sich in den Supermärkten der Stadt ohne Bezahlung Linderung zu verschaffen.
Das Gericht listete am 11. Januar 22 akribisch auf: 5 Packungen Käse für 365 Rubel, 5 Kopeken, 7 Packungen Käse für 786 Rubel, 40 Kopeken, zwei Stangen Wurst für 268 Rubel, 94 Kopeken, eine Dose Tonic für 166 Rubel, 29 Kopeken, 6 Dosen Kaffee für 1.248 Rubel 48 Kopeken, 22 Schokoriegel für 1.051 Rubel 60 Kopeken, eine Stange Schinken für 207 Rubel 50 Kopeken, zehn Eier für 64 Rubel 55 Kopeken, zwei Flaschen Deodorant für 261 Rubel 34 Kopeken.
Zusammen ergaben das 2,5 Jahre Strafkolonie, Wagners Versprechen der Freiheit nach einem halben Jahr brachte ihm nur den Tod.
Orden des Mutes
Der Militärkommissar des Bezirks Alexejewski (Tatarstan), Wladimir Makarow, übergab die Dokumente zum Orden des Mutes dem Vater des Helden. Er drückte den Eltern des Verstorbenen noch einmal sein Beileid aus und betonte, dass sein Andenken für immer in den Herzen seiner Landsleute bleiben werde.
Der Held heißt Schamil Schaikhutdinow und wurde bereits zwei Monate früher begraben. Das Foto stammt vom Mai 2023, wir haben es gerade erst entdeckt.
Bitte antworten Sie
Larissa sucht Ende letzten Jahres nach Informationen zu ihrem Bruder, einem Söldner der Gruppe Wagner:
Hallo, ich suche die Kollegen meines Bruders. Juri Karpachew (Rybachy). Kämpfer!!! Bitte antworten Sie, wer war bei ihm in Molkino, hinter der Linie?! Gestorben in Artemovsky (Bakhmut) am 27. Mai 2023.
Erläuterung: Molkino in der Region Krasnodar war das Ausbildungszentrum der Wagner-Söldner, nicht weit weg ist auch der größte Wagner-Friedhof. Mit der Linie ist die Front gemeint.
Wochenende vorbei
Richtig, heute ist Montag, das Wochenende ist vorbei. Das gilt auch für die russische Einheit der Fußballhooligans "Hispaniola", aber in zweifacher Hinsicht. Denn zusätzlich haben sie ihren Geheimdienstchef verloren, der den Kampfnamen "Wychodnoy" besaß, was übersetzt so etwas wie Wochenende bedeutet. Er wurde am Sonntag (03.03.24) an der Front getötet. Sein richtiger Name lautet Wjatscheslaw Walerijewitsch Subbotin, geboren am 12.04.1986.
"Natürlich wird unser gesamtes Team und unsere gesamte Community und alle Rot-Blauen, einschließlich unseres Heimatvereins, niemand an der Seitenlinie bleiben, wir sind alle für immer eng zusammen," schreiben seine Kollegen im Nachruf.
Bitte beten Sie für meinen Sohn
Irina Silchenkova aus Smolensk, geboren 1984, schreibt auf VKontakte:
Am 16. Dezember haben wir uns von meinem Sohn Stas verabschiedet, der im Alter von 18 Jahren einen Vertrag unterzeichnet hat. Er diente zum Wohle des Vaterlandes. Er wurde posthum mit dem Tapferkeitsorden geehrt. Er besuchte die Schule Nr. 24 in Smolensk.
Stas starb am 17. November im Dorf Sinkovka, Gebiet Charkow, Kreis Kupjansk. Der Tod wurde erst am 12. Dezember bekannt gegeben. Ich habe meinen Sohn am 16. Dezember im Dorf Nizhnyaya Gedeonovka beerdigt. Bitte beten Sie für meinen Sohn.
Studierte im Sonderstrafvollzugsinternat Kichmengsko-Gorodetsky
"Geboren am 19. Februar 2004 im Dorf Navolok in einer großen Familie, landete er aber durch den Willen des Schicksals in einem Waisenhaus. Er studierte im Sonderstrafvollzugsinternat Kichmengsko-Gorodetsky. Gestorben am 14. Dezember 2023 während eines Kampfeinsatzes."
Das ist das kurze Leben des 19-jährigen Sergej Michailowitsch Sokolow aus der Region Wologda zusammengefasst, der in einer Sturm-Z Brigade in einem sogenannten "Fleischangriff" verheizt wurde. (Richtig - dieser Begriff wird in der russischen Armee verwendet.) Er saß übrigens wegen Raubes, Diebstahl & Autoklau ein.
Wenn es gut für dich ist
Eduard Seligejew aus Beja in Chakassien arbeitete im Schichtdienst. Er kam mit einem Blumenstrauß nach Hause und gestand seiner Frau, dass er sich für den Ukrainekrieg freiwillig melden wolle. "Wenn es gut für dich ist, dann ist es auch gut für mich“, meinte seine Frau Lilia. In finanzieller Hinsicht ging diese Entscheidung für Lilia gut aus. Sie und ihre drei Söhne können sich über eine außergewöhnlich hohe Abfindung freuen. Eduard dagegen kehrte nicht lebend zurück.
Von der Zirkusbühne in den Krieg
Der Mann auf dem Foto ist Sergej Dobrowolski, 54 Jahre, und war früher mal Trainer für große Tiere im Zirkus "Dynastie Dowgaljuk" aus Transbaikalien. Da das Gehalt in der Armee weitaus lukrativer als in einem freien Zirkus ist, hatte er sich dem Hispaniola-Bataillon der Fußballhooligans angeschlossen. Und auch dort blieb er seinem Beruf treu, aus einem Zoo in den besetzten ukrainischen Gebieten hat er sich am Tierbestand bedient und zwei junge Löwen zur Truppe mitgenommen. Beim Beschuss ihres Quartiers Ende letzten Jahres kamen das Löwenbaby und Sergej ums Leben. Siehe auch "Hooligans mit Löwen."
Ein Krieger zu sein, für immer zu leben
Der Mann auf dem Foto heißt Sergej Iwanowitsch Subow. Er kam aus dem Dorf Gawrukowo, irgendwo im Perm-Territorium und wie man an der Vergangenheitsform erkennen kann, lebt er nicht mehr. Sein Bruder machte seinen Tod bekannt:
"Sergej ging durch Tschetschenien, an der Spezialoperation nahm er als Teil der "Gruppe Wagner" teil, eroberte Bakhmut, dann ging er zu den Freiwilligenverbänden "Bars".
Bruder, ein Krieger zu sein, für immer zu leben!!! Ewiges Gedenken Bruder!!! Stolz auf dich!!!"
Den Sieg nicht mehr erlebt
"Mutig gekämpft, jedoch den Sieg nicht mehr erlebt", so endet ein Gedicht zum Gedenken an Stjopa (Stepan) Gurschew. Der hat Krankenpfleger in Petropawlowsk-Kamtschatski gelernt, war 22 Jahre alt und kurz nach seinem Wehrdienst im September 22 mobilisiert worden. Stjopa war ein normaler junger Mann, mit dummen Sprüchen und einer hübschen Freundin in der rauen Umgebung Kamtschatkas. Dort nimmt die Bevölkerung kontinuierlich ab, Ende 23 kam auch Stjopa nur im Zinksarg nach Hause.
Der Himmel sei gepriesen
Aus Konoscha, einer Siedlung in der Oblast Archangelsk mit etwa 12.000 Einwohnern, kommt Galina Murawjowa, gebürtige Schukowa. Sie ist bereits 75 Jahre alt und führt eine aktive Seite bei VKontakte. Im Ort gab es einen weiteren Gefallenen im Krieg gegen die Ukraine. Dazu gab es eine (inzwischen gelöschte) kritische Stimme. Da wird Galina aber resolut:
"An den unbekannten Benutzer:
Du Bastard, du solltest geschlachtet werden, wenn du nicht für dein Land zu kämpfen bereit bist. Du bist offensichtlich nur ein Verräter, der Himmel sei gepriesen!!!!"
Diener Gottes
Der Offizier, der aus dem Foto etwas steif herausschaut, war Oberleutnant Stepan Sergejewitsch Schirnow. Stepan war Pilot eines Su-34 Jagdbombers, der Kampfeinsätze über der Ukraine flog. Am 22.12.23 wurde seine Maschine abgeschossen und Stepan getötet. Sein Schulkamerad Viktor schrieb einen Nachruf:
"Stepan starb in der Region Cherson in Russland, als sein Flugzeug von einem amerikanischen Luftverteidigungssystem abgeschossen wurde, das an die Ukronazi-Besatzer geliefert wurde. Herr, gewähre dem Diener Gottes, dem Krieger Stefan, das Himmelreich und schaffe für ihn eine ewige Erinnerung."
Militärpflicht mit Ehre erfüllt
Das sind die Beileidsworte der Verwaltung von Kamyschin, einer Großstadt am Wolgograder Stausee. Sie galten ihrem Bürger Wladimir Peterimow, einem jungen Mann mit gerade mal 20 Jahren, der im Krieg gegen die Ukraine sein Leben gelassen hat und Mitte Dezember 23 begraben wurde.
"Er hatte keine Zeit, einen Beruf zu erlernen oder sonst etwas. Wir hatten gerade Zeit im Mai dieses Jahres zu heiraten, und das war's - er ging weg", sagte Olga, sein Frau. "Ursprünglich wollte er zum Wehrdienst gehen, aber er hatte bereits einen Militärvertrag unterschrieben. Wir haben ihn heute beerdigt ... Er war erst 20 Jahre alt, an Kinder hatten wir noch gar nicht gedacht."
Nachdem die Aufmerksamkeit zu unseren Veröffentlichungen wächst, eine kurze Information zu OskarMaria.
Unter diesem Pseudonym war der Initiator im Internet seit über 25 Jahren recht unregelmäßig präsent. Ab dem Jahr 2014 hat er hier über die Situation in den von Russland besetzten Gebieten des Donbass geschrieben. Als einer der ersten Journalisten überhaupt inormierte er über die damals neu gegründete Gruppe Wagner.
Beruflich war er seit den 80-iger Jahren Geschäftsführer von diversen Medienunternehmen im Printbereich. Jetzt im Ruhestand, Kinder erwachsen, bleibt etwas mehr Zeit, die gesammelten Erfahrungen zusammen mit wenigen Mitstreitern für dieses Projekt zu nutzen.
Nachtrag: OskarMaria– das ist eine kleine Verbeugung vor dem beinahe vergessenen Schriftsteller Oskar Maria Graf. In Zeiten der Bücherverbrennungen wurden seine Werke von den Nazis verschont, ja sogar teilweise empfohlen. „Verbrennt mich!“ schrieb er 1933 in der Wiener Arbeiterzeitung, „nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen!“ Schließlich floh er in die USA – dort lebte er in bescheidenen Verhältnissen. Deutschland wollte den unbequemen Mann nach dem Krieg nicht wieder haben. Er starb 1967 in New York.
Literaturempfehlung: Wir sind Gefangene - Autobiograhie 1927.
Der 57-jährige Juri Galuschko soll am 4. Mai in der Region Donezk sechs russische Kollegen erschossen haben. Nach der Tat soll er mit der Tatwaffe - ein AK-12-Sturmgewehr mit Schalldämpfer und Munition - geflüchtet sein und wird jetzt in allen Grenzregionen gesucht. Juri Galuschko stammt aus dem ukrainischen Charkiw, hatte eine russische Frau geheiratet und lebte mit russischem Pass in Belgorod. Soweit waren sich alle Meldungen einig, danach aber nicht mehr.
Die meisten russischen Medien schreiben, dass Galuschko aus einer Haftanstalt rekrutiert worden wäre, Belege dafür gäbe es noch nicht.
Andere schreiben, dass er ein Bücherwurm sei und Geld für eine Augen-OP brauchte, weil er sonst Gefahr liefe zu erblinden. Deshalb wäre er zum Militär gegangen. Seine Mutter lebe noch in Charkiw und hätte auf Grund eines russischen Bombenangriffs einen Infarkt erlitten.
In einem sind sich alle Schreiberlinge wieder einig: Der Mann wird versuchen, sich auf die ukrainische Seite hinüberzuschleichen.
Immer wieder finden wir gefallene Soldaten aus den ersten Kriegsmonaten in regionalen Zusammenstellungen, die wir bisher nicht erfasst haben. Hier ein Beispiel:
Alexej Sergejewitsch Golowlew wurde am 23. Dezember 1991 in Lesosawodsk, Region Primorje geboren. Meldete sich freiwillig zum Kriegseinsatz. Am 15. April 22 war sein erster Einsatz, am 23. April 22 war sein letzter Einsatz.
Im Dorf Sukpai gedenkt man dem ehemaligen Schüler Waleri Anatoljewitsch Sawin. Er ist im Krieg gegen die Ukraine gefallen. Der Mann war 39 Jahre alt, eine Ausbildung hatte er nicht, dafür meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst. Wenn man sich den Zeitablauf anschaut, dann ist Waleri nur zum Sterben in den Donbass gereist. Am 27. Februar 23 unterschrieb er einen Vertrag, danach die lange Reise von ganz im Osten in den Westen Russlands, weiter in den Donbass. Selbst mit dem Flugzeug kann das dauern. Am 10.03.23 hatte man bereits den Kontakt mit ihm verloren. Dafür brauchte er für die Rückreise länger. Am 11.11. hat man ihn begraben. Den Schülern erzählt man aber keine wahren Gruselgeschichten, dafür lieber die Märchen vom Helden. Auch Waleri bekam einen Heldenschreibtisch.
06.05.24
Der Unternehmer und Blogger Konstantin Petrow besuchte die Stadt Murmansk ganz im Norden Russlands. Er veröffentlichte Ende April ein Video seiner Reise, in dem er über seine Eindrücke nach einem Stadtrundgang spricht. In den Aufnahmen fragte Petrow, wann Exkursionen aufhören würden, Schlachtstätten und Grabdenkmäler zu zeigen? Das hätte er besser nicht fragen sollen.
In den sozialen Medien wurde er als "falscher Russe" und Feind tituliert, der Gouverneur der Region schaltete sich ein und meinte, solche Besucher brauche die Region nicht.
Konstantin Petrow reagierte darauf, dass er lediglich die Idee vermitteln wollte, dass man auf die positiven Aspekte des Lebens achten solle und diese zu würdigen wisse. Das half überhaupt nicht. Bewohner der Stadt hielten das Taxi an, mit dem Petrow zum Flughafen fahren wollte und forderten den Fahrer auf, seinen Passagier abzusetzen. Das passierte dann auch.
"„Warum sind solche Nichtmenschen immer noch auf freiem Fuß?“ fragten Nutzer der russischen sozialen Medien. Wahrscheinlich nicht mehr lange. Ein Untersuchungsausschuss hat ein Strafverfahren eröffnet. Petrow drohen bis zu fünf Jahren Gefängnis.
06.05.24
Wir hatten schon mehrfach über Fälle berichtet, bei denen verurteilte Verbrecher plötzlich zu Helden mutierten, weil sie im Krieg gegen die Ukraine getötet wurden. Diese Vorbilder wurden dann in ihren Heimatgemeinden öffentlich geehrt. Es gibt zumindest einen gegenteiligen Fall.
Die Stadt Gubkin liegt in der Region Belgorod und hat knapp 90.000 Einwohner. Die dortige Verwaltung verweigerte einem Kriegstoten die Bestattung in der Allee der Helden.
Juri Leonidowitsch Melnik hatte bereits eine Vorstrafe als er im Jahr 2019 wegen Besitzes eines Mosin-Gewehrs, eines PPSh-Sturmgewehrs, eines Jagdgewehrs, von TNT-Blöcken und verschiedener Waffenbestandteile, sowie wegen des Kaufs von Mephedron vor Gericht stand. Er wurde zu einer Haftstrafe von 1,5 Jahren verurteilt.
Der Anwalt des Toten ging mit dem Fall an die Öffentlichkeit: "Wer hat dem Bürgermeister die Befugnis erteilt zu bestimmen, wer ein Held ist und wer nicht? Anscheinend sind wir auch nach dem Tod alle unterschiedliche Soldaten und unser Vaterland ist wahrscheinlich anders, da es „seine“ Söhne unterschiedlich behandelt. Ich möchte wirklich, dass das ganze Land und nicht nur der Präsident seine bürokratischen „Helden“ kennt."
Wladimir Lunin stammte aus einem Dorf in der Region Tjumen. Geboren 1998 strebte er eine schnelle militärische Karriere an. Nach der Schule ging es zur höheren Militäringenieurschule Tjumen. Die schloss er als Maschinenbauingenieur ab im Rang eines Leutnants. Von Tjumen wurde er in den fernen Osten in die Region Amur versetzt und nach einem Jahr dort ging es für ihn in den Krieg gegen die Ukraine. Am 30. Dezember 22 wurde er auf die lange Reise geschickt, am 10. Januar 23 war er bereits tot.
Aber - er hätte wie ein wahrer Patriot gekämpft und sich mutig dem Tod gestellt, schreibt der Bezirksvorsteher. Jetzt gibt es im Heimatdorf eine Gedenktafel und jener Bezirksvorsteher sinniert über den Krieg:
Russland ist erneut gezwungen, den Nationalsozialismus zu bekämpfen. Der Feind wird im Namen unserer heiligen Geschichte, im Namen der Erinnerung an unsere Großväter und Urgroßväter und für zukünftige Generationen definitiv besiegt.
Kein Platz für Sentimentalitäten gibt es im Krieg. Jewgeni Jaruschin aus der Stadt Krasnoufimsk in der Oblast Swerdlowsk hatte sich zwar einen lustigen Alias zugelegt, aber geholfen hat der dann doch nicht. Jewgeni wurde am 24. April an der Front getötet. Was bleibt ist ein nachdenkliches Bild von ihm im Soldatendress mit drei Tulpen in der Hand, das jetzt seinen Nachruf schmückt. Leider ist von der Macht der Blumen (Flower-Power) nicht viel übrig geblieben, die in den 70-iger Jahren auch ein Symbol gegen den Vietnamkrieg war.
Im Süden der Oblast Irkutsk liegt der Bezirk Echirit-Bulagatski mit knapp 30.000 Einwohnern. Etwa 40% der Bevölkerung dort sind Burjaten. Nach seinem Foto gehörte auch Wassili Olegowitsch Borontsoew zu dieser Volksgruppe. Er wurde am 06. Mai 1988 in dem Bezirksdorf Darchat geboren. Sein Lebenslauf wurde im Nachruf holprig geschönt. Nach dem Gymnasium hätte er an der Burjatischen Staatlichen Universität, Abteilung für Geschichte, studiert. Als Abschluss wäre dann der Beruf eines Wachmanns herausgekommen. Einige Jahre hätte er auch in Sicherheitsunternehmen gearbeitet. Danach war er arbeitslos, zog zurück ins Dorf und hat seinen Eltern bei der Haus- und Landarbeit geholfen.
Und obwohl er nie beim Militär war, wollte Wassili auch in den Krieg ziehen und höchstwahrscheinlich schnell viel Geld verdienen. Im November 23 versuchte er es ein erstes Mal und wurde als untauglich wieder nach Hause geschickt. Am 9. Januar 24 klappte es dann mit dem Kriegsdienst. Nach zwei Wochen Ausbildung ging es an die Front. Am 9. Februar war bereits Schluss, die Kugel eines Scharfschützen hatte sein Leben beendet.
Der tote Wassili hatte es nicht eilig nach Hause zu kommen. Dafür war er nicht wichtig genug. Der Leiter des Bezirks konnte den Leichnam auf Bitten der Mutter nach 2,5 Monaten zurückholen.
Aus der Kleinstadt Dalneretschensk ganz im Osten Russlands an der Grenze zu China machte sich Anton Wiktorowitsch Gurdin, geboren am 14. Januar 1986, auf den langen Weg zum Krieg im Donbass. Mit einem Maschinengewehr in jeder Hand und einer Fluppe im Mund hielt er sich wohl für unverwundbar. Am 9. Januar 2024 meldete er sich freiwillig, am 20. März wurde er tötlich verwundet.
"Durch sein persönliches Beispiel inspirierte er die Soldaten immer wieder zu Heldentum und Heldenmut", schreibt die Bezirksverwaltung der Kleinstadt Dobrjanka in der Region Perm über den Tod des russischen Soldaten Igor Wladimirowitsch Gomzin. Er hätte in verschiedenen Organisationen gearbeitet, heißt es weiter, was übersetzt meist nichts Gutes zu bedeuten hat. Aber am 11. Dezember 23 unterzeichnete Igor einen Vertrag beim russischen Militär. Viel Heldentum und Heldenmut konnte er dort auch nicht zeigen. Bereits am 9. Januar 24 war damit Schluss.
28.04.24
Am 21.04.24 wurde im Dorf Totskoe-2 ein weiterer gefallener russischer Sodat beigesetzt - Sergej Aminowitsch Alijew (Foto). Wir hatten schon mehrere Kriegstote aus diesem Ort, denn Totskoe-2 (Tozkoje Wtoroje) ist ein geschlossenes Garnisonsdorf in der Region Orenburg.
Im Moment ist das Dorf Standort der 27. motorisierten Schützendivision, die im Jahr 1991 aus der ehemaligen DDR abgezogen wurde. Damals wurden mit deutschem Geld die neuen Standorte der abziehenden sowjetischen Armee renoviert und ausgebaut.
Der Ort grenzt an einen Truppenübungsplatz mit einer üblen Geschichte.
In den Jahren 1920-1930 testeten die UdSSR und Deutschland hier nach einer inoffiziellen Vereinbarung gemeinsam Gaswaffen.
Am 14. September 1954 wurde auf dem Übungsplatz eine Atombombe gezündet. An der Übung waren 44.000 Mann, mehr als 500 Geschütze und Mörser, bis zu 500 Panzer, etwa 600 gepanzerte Personentransporter, mehr als 300 Flugzeuge, 6.000 Traktoren und Autos beteiligt. Zahlreiche Soldaten wurden verstrahlt und kamen ums Leben.
Alexander Chripuschin, geboren 1985 aus der Region Woronesch, wurde als Söldner der Gruppe Wagner am 24. Februar 23 irgendwo an der Front getötet. Er hätte sich im Januar 23 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Vorher hätte er KFZ-Mechaniker gelernt, 2012 geheiratet und einen Sohn gezeugt, zum Schluss auf dem Bau gearbeitet, heißt es im Nachruf. Eine Kleinigkeit wurde allerdings vergessen:
Im Jahr 2020 wollte Alexander in Woronesch ein Auto stibitzen. Er wurde von der Polizei erwischt, festgenommen und dabei auch genetisches Material von ihm entnommen. Dabei kam man auf eine neue Spur.
Im August 2008 war der damalige 23-jährige Alexander in ein Haus eingedrungen. Er fesselte die Bewohnerin, eine 68-jährige Rentnerin, vergewaltigte und tötete sie. 2021 kam es dann zum Prozess, Alexander Chripuschin wurde zu 17 Jahren Gefängnis in einer Hochsicherheitskolonie verurteilt,
27.04.24
Als Wjatscheslaw Wassiljewitsch Beschenar im Jahr 1986 in Chisinau geboren wurde, gab es die Sowjetunion noch. Doch Chisnau wurde dann die Hauptstadt der unabhängigen Republik Moldau und seine Eltern sind in die Region Brjansk gezogen.
Wjatscheslaw hätte sich als Einzelunternehmer im Personentransport versucht, berichtete die Presse. Übersetzt dürfte das der Beruf eines Taxifahrers gewesen sein. Doch das Unternehmertum war glücklos, ein Schiedsgericht hatte Wjatscheslaw für pleite erklärt.
Als Freiwilliger im Kriegsdienst gegen die Ukraine verdient man so viel Geld, dass man die Schulden wieder vom Hals bekommt. Und in der Zeit an der Front ist man für die Gerichtsvollzieher sowieso sakrosankt. So ging auch Wjatscheslaw zum Militär. Am 1. Dezember 23 verlor man den Kontakt zu ihm, erst am 16. April wurde er bestattet.
Pantelei Alexandrowitsch Wukolow wurde am 8. August 1959 in der damaligen "Moldauischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik" geboren und ist irgendwann in die russische Region Twer umgezogen. Warum der Mann in den Krieg ziehen wollte, konnte man den diversen Veröffentlichungen nicht entnehmen. Aber wie so oft, dürfte die sehr gute Entlohnung die Triebfeder gewesen sein.
Dass das russische Militär einen 64-jährigen Mann für den Krieg gegen die Ukraine braucht, dürfte das eigentliche Überraschende sein. Aber dann doch wieder nicht, wenn man den Beitrag von Pantelei zum Kriegsgeschehen betrachtet. Am 29. Januar 2024 schloss er einen Vertrag mit dem Militär, am 25. März wurde er an der Front getötet. Kanonenfutter braucht man immer.
26.04.24
Illarion Alexandrowitsch Tschelowetschkow war ein Absolvent des Waisenhauses „Ostrowok“ aus dem Kemerowo Dorf Maly Korchugan. Wie so viele Waisen landete auch er im russischen Krieg gegen die Ukraine. Begraben wurde er am 17. April 24 in der nahen Kleinstadt Topki. Er wäre ein freundliches, aufgewecktes Kind gewesen, schreibt eine ehemalige Mitarbeiterin des Waisenhauses in den Kommentaren. Persönliche Daten - Fehlanzeige, mehr muss man auch nicht wissen.
24.04.24
Etwa 160 verschiedene Meldungen über gefallene Soldaten sind am 17.04.24 zusammengekommen. Egal ob es kurze oder lange Nachrichten waren, der Informationsgehalt war in der Regel dürftig. Und trotzdem konnten wir aus diesem einen Tag neun Meldungen herausfischen, die zeigen, wie schnell russische Soldaten an der Front in den Tod getrieben werden.