Alla W. aus Rajsan wirkt auf den Fotos in ihrem VKontakte-Profil einsam und verloren, aber auch hart. Im März hatte sie noch mitgeteilt, dass ihr Sohn 27 Jahre alt geworden wäre. Und er ließe seine Freunde grüßen. Und im  Mai schrieb sie, dass sie in Ordnung wäre. Man hätte ihr Grüße von ihrem Sohn gebracht. Er bat seine Mutter, seinen Freunden Hallo zu sagen, er erinnere sich an sie alle. Heute schließlich teilte sie knapp mit, dass ihr Sohn in der Ukraine gestorben wäre - PMC Wagner - Sohn starb frei. Man konnte keinen übermäßigen Schmerz aus ihrem Beitrag herauslesen.
Mit etwas Phantasie ergibt sich daraus ein kleines Drama. Der Sohn saß wohl hinter Gittern, deshalb ließ er Grüße über seine Mutter ausrichten. Dort bekam er im Spätsommer wohl eine "Sie kommen aus dem Gefängnis frei"-Karte, wenn er sich der Soldateska der Gruppe Wagner anschlösse. Dieses Angebot hat er angenommen. Er starb am 12. Oktober, aber frei.
OM, 26.10.2022

Alle fünf russische Staatsbürger haben gemeinsam, dass sie am 29. September in der Oblast Swerdlosk mobilisiert, also zum Kriegsdienst einberufen wurden. Nach einer bis eineinhalb Wochen Vorbereitung ging es für alle in die Ukraine, sie wurden bei Cherson ins Kriegsgebiet geworfen. Seither haben ihre Angehörigen nichts mehr von ihnen gehört.
Sie starben alle, zu unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen Orten. In der Nacht vom 24. auf 25. Oktober erfuhren die Familien von ihrem Tod, am 25.10. wurden die Leichen geliefert.
OM, 25.10.22

Kann man eigentlich eine Armee diskreditieren? Das meinten in Deutschland mal die Bundeswehr, Soldatenverbände und weite Teile der Politik in Bezug auf obiges Tucholsky-Zitat. Bis das Bundesverfassungsgericht dem Spuk ein Ende setzte.
In Russland ist es ein Vergehen und jeder, der in irgend einer Form gegen den Krieg in der Ukraine ist, wird behördlich verfolgt. Aber richtig, bereits die Benutzung des Wortes "Krieg" ist strafbar, richtig wäre Sonderoperation. Denn nach Art. 20.3.3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten der Russischen Föderation werden Bürger, die der Diskreditierung der Armee für schuldig befunden wurden, mit einer Geldstrafe von 30.000 bis 50.000 Rubel bestraft. Und das sind inzwischen viele.
Insgesamt gingen bei russischen Gerichten etwa 4.800 Verfahren ein. Moskau steht an erster Stelle (632), St. Petersburg an zweiter Stelle (247), gefolgt von Krasnodar-Territorium (164), Krim (140), Kaliningrad (123), Perm-Territorium (82), Samara-Region (79), Komi (77), Karelien (73) und Archangelsk (70).
OM, 25.10.2022

Ivan PolyanskyIvan Polyansky war ein junger Familienvater aus der Region Orenburg. Er lebte in einem kleinen Dorf zusammen mit seiner Frau und drei Kindern. Und Ivan gehörte zu den 300.000 Russen, die Ende September Anfang Oktober mobilisiert oder besser zum Dienst an der Front verpflichtet wurden, um das Blatt in der Ukraine doch noch zu wenden. Ivan verhielt sich wie ein ordentlicher Russe, erschien im Militärregistrierungs- und Rekrutierungsbüro und wurde in ein Ausbildungslager für die Mobilisierten nach Nizhnyaya Pavlovka geschickt, etwa zehn Kilometer von der Hauptstadt Orenburg entfernt.
Solch junge Leute wie Ivan sind aktuell beim russischen Militär stark nachgefragt. Denn Ivan hatte gedient, war am Granatwerfer ausgebildet und kannte sich allgemein gut mit Waffen aus.
Was im Ausbildungslager dann geschah bleibt unklar. Klar ist nur, dass Ivan Polyansky tot ist, ohne dass er auch nur in die Nähe der Front gelangt wäre. Ivan wurde bereits am 21. Oktober beigesetzt – mit militärischen Ehren. Ansonsten „ermitteln“ das Militärkommissariat der Region Orenburg und die Militärermittlungsabteilung des Zentralen Militärbezirks.
Wäre noch zu erwähnen, dass Ivan Polyansky eigentlich gar nicht hätte mobilisiert werden dürfen. Denn Väter von drei oder mehr minderjährigen Kindern sind gemäß den Anweisungen des Generalstabs befreit.
OM, 24.10.2022

Ivan Polyansky

Die Oblast Omsk ist ein schweigsame Region in Bezug auf Todesopfer im Ukrainekrieg. Über Wochen melden die Behörden keine gefallenen Soldaten, manchmal finden sich auf VKontakte entsprechende Meldungen. Zwischen dem 10. und 20. Oktober zum Beispiel konnten wir in zwei lokalen Medien keine einzige Nachricht finden. Dafür veröffentlicht die Regierung neue Budgetzahlen.
112 Millionen Rubel wurden den Familien der Omsker Soldaten ausgezahlt, die bei der "Sonderoperation" getötet wurden. Da für jeden Gefallenen eine Million ausgeschüttet wird, bedeutet das 112 Todesfälle in der Ukraine. Hier zeigt sich auch die Schweigsamkeit der örtlichen Medien. Bisher haben wir nur 83 Kriegstote gefunden.
OM, 21.10.22

Offizielle Daten über die gefallenen russischen Soldaten im Krieg gegen die Ukraine erfährt man kaum. Doch ein Blick in die Budgets der Regionen kann helfen, die Todeszahlen aufzuklären. Am 17. Oktober teilte das Ministerium für Sozialpolitik der Region Nischni Nowgorod mit, dass für die Soldaten der Region, die in der Ukraine ums Leben kamen, Aufwendungen aus dem Regionalhaushalt in Höhe von 224 Millionen Rubel angefallen sind.
Da die Angehörigen toter Soldaten zwei Millionen Rubel erhalten, wurden für 112 Gefallenen Gelder ausbezahlt. Da es immer etwas dauert, bis die Angehörigen alle bürokratischen Hürden genommen haben, bestätigt dies in etwa unsere Zählung von 129 Todesmeldungen.
OM, 20.10.22

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