Ust Belaja

Ust-Belaja von einem Quadcopter aufgenommen -- Foto: Thabigd  -- Lizenz: CC BY-SA 4.0

Am Fluss Anadyr liegt das Dorf Ust-Belaja mitten im kalten Tschukotka. Die Hauptstadt Anadyr ist über 200 km Luftlinie entfernt. Das Dorf hat etwa 600 Bewohner, um die Jahrtausendwende waren es noch etwa 900.

In Ust-Belaja gibt es eine weiterführende Schule, eine Kunstschule, einen Kindergarten, ein Postamt, ein Kommunikationszentrum, ein Geschäft, eine Bäckerei, ein Hotel und eine Rentierzuchtfarm, der große Arbeitgeber des Dorfes. Aber es gibt keine Straßenverbindung nach Ust-Belaja. Man erreicht es mit dem Hubschrauber von Anadyr aus oder im Sommer mit dem Motorschiff, das aber zwei bis drei Tage braucht.

Aus Ust-Belaja kam auch Ruslan Aatschek, der in der örtlichen Renntierzucht arbeitete und ganz weit weg in der Ukraine in den Krieg zog. Wir dokumentieren den Bericht des dortigen Nachrichtenmagazins:

Aus einer Datenbank für gefallene russische Soldaten:

  • Alexej Dmitrijewitsch Gontscharow
  • Region: Region Orenburg
  • Ortschaft: Dorf Gerasimovka
  • Geburtsdatum: 14.09.2005
  • Sterbedatum: 24.05.2024

Unterschrieb den Vertrag am 13. April und reiste am 19. April zu seinem Zielort ab. Am 24. Mai starb er. Die trauernden Eltern sind Mutter, Vater, Schwester, Neffen, Großmutter, Onkel und Tanten.

Alexey hatte viele Freunde, aber ohne sein drittes Jahr zu beenden, ohne Militärdienst, machte er sich auf den Weg.

Alexey wurde posthum der Orden des Mutes verliehen.

Alexej Dmitrijewitsch Gontscharow

Am 7. August 2024 startete die Ukraine eine Offensive in der russischen Region Kursk und eroberte schnell einige Ortschaften. Die Militäraktion ist im Moment noch in vollem Gange, wir haben nicht die Kompetenz diese zu bewerten.

Aber wir können an dieser Stelle den ersten Wehrpflichtigen vorstellen, der ein Opfer dieses Angriffs wurde.

Nikita Dmitrijewitsch Dobrynin, 22 Jahre alt, kam aus der Stadt Petschora in der nördlichen Republik Komi. Er war wohl wie viele Wehrpflichtige zur Grenzsicherung eingesetzt und von dem Angriff völlig überrascht. Er wurde am 8. August getötet.

Es gibt zahlreiche Drohnenvideos die zeigen, wie sich zahlreiche Wehrpflichtige an der Grenze einfach ergeben. Warum dies bei Nikita nicht möglich war, bleibt unbekannt.

Nikita Dmitrijewitsch Dobrynin

Über Nikita gibt nur wenige Informationen, er wäre  ein Sohn, Bruder, Neffe und Enkel gewesen, der das Leben noch nicht gesehen hätte.

Update 12.08.24:

Fedor Sergeewitsch Sabirow

Heute sind wir in Sredneuralsk, einer Kleinstadt in der Oblast Swerdlowsk. Auf dem Foto sehen wir Fedor Sergeewitsch Sabirow mit seiner Mutter Zoja. Beide sind in den Krieg gegen die Ukraine involviert.
Fedor, geboren am 5. Mai 1997, ist als Soldat an der Front, gerade befindet er sich im Urlaub. Seine Mutter ist Mitglied in einer Unterstützergruppe, die Spenden für die Soldaten sammelt, dafür Ausrüstungsgegenstände kauft und an die Front liefert. Seit zwei Jahren webt Mutter Zoja Tarnnetze für die Truppe. Vor einem Foto, auf dem Wladimir Putin und Ramsan Kadyrow einander die Hand schütteln, posieren die beiden für die Kamera.
Fedor ist danach wieder in den Krieg gezogen, am 24. Juli 24 wurde er getötet. Dazu schreibt die Gruppe "Wir unterstützen und helfen" am 2. August 24:

Undusch ool Wladislawowitsch ChayanIn der kleinen russischen Teilrepublik Tuwa leben etwa 300.000 Menschen, davon sind knapp 90% Tuwiner und etwa 10% russischer Abstammung. Tuwa ist die ärmste Region der Russischen Föderation, die Armutsquote in der Republik lag 2017 bei 41,5 %.

Die Republik hat ein beispielloses Ausmaß an Kinderarmut. Die Zahl der Kinder in der Bevölkerungsstruktur beträgt etwa 35 % und aufgrund mangelnder Beschäftigung erhalten die meisten Familien soziale Leistungen. Dazu passt auch, dass die Menschen in Tuwa ein bescheidenes Niveau in der medizinischen Versorgung haben, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei etwa 76 Jahren, die niedrigste in ganz Russland.

So wundert es auch nicht, dass viele Männer ihr Heil im Krieg gegen die Ukraine suchen. Der Verdienst als russischer Soldat ist so außergewöhnlich hoch, niemand in Tuwa kann das mit legaler Arbeit verdienen. So kommt es, dass Tuwa eine höhere Anzahl an Kriegstoten ausweist als die 13 Millionen Stadt Moskau.

Beinahe jeden Tag treffen Meldungen über neue Opfer des Ukrainekriegs in Tuwa ein. Wir dokumentieren vier Meldungen zwischen dem 26.Juli und 28. Juli 2024:

  • Undusch-ool Wladislawowitsch Chayan (Foto links), Dorf Saryg-Sep, Republik Tuwa, geboren am 28.07.2003, getötet am 15.07.24;
  • Bujan (Olchat) Chuler-oolowitsch Dongak, Republik Tuwa, geboren am 11.08.1995, Freiwilliger mit Vertrag vom 28.09.22, getötet am 09.07.24;
  • Roman Maadyr-oolowitsch Oorschak, Dorf Uspenka, Republik Tuwa, geboren am 06.05.1977, getötet am 22.07.2024;
  • Ruslan Sergejewitsch Chomuschk, Dorf Schui, Republik Tuwa, geboren am 15.07.1976;

Die übersetzten Originaltexte:

Maxim Witaljewitsch MaksimowIm Moment befinden sich unter den russischen Kriegstoten sehr viele junge und sehr junge Männer, die sich freiwillig zum Krieg gemeldet haben. Sie sind Opfer einer betrügerischen Propaganda, die den Kriegsdienst verherrlicht und die Risiken verschweigt, sie sind Opfer der russischen Kriegsmaschine, die keine Rücksicht auf menschliches Leben nimmt und sie sind verloren in einem Land, das jungen Leuten wenig Perspektiven bietet. Dazu kommt eine Menge jugendlicher Dummheit und die Gier nach dem schnellen Geld.

Am 27.Juli 24 wurde in Kamyschin, einer Großstadt in der Region Wolgograd, Maxim Witaljewitsch Maksimow begraben. Der junge Mann wurde am 29.11.2003 dort geboren, lebte aber mit seiner Mutter in Magadan im hohen Norden. Nach der Schule musste er nicht zum Militär und hatte einen Hilfsarbeiterjob.

Raschid Ramasanowitsch TaisajewDie Nogais sind eine turksprachige Ethnie im Kaukasus, es soll weltweit etwa 130.000 Nogaier geben, die meisten leben in Russland.

Raschid Ramasanowitsch Taisajew, 23 Jahre, stammte aus einer Nogai-Familie aus Karatschai-Tscherkessien und wurde im Herbst 2022 mobilisiert. Er wurde wohl nicht direkt an der Front eingesetzt, sondern in einer Unterstützungskompanie. Ein Bekannter bezeichnete ihn so: "Wer diesen Jungen kennt, weiß, dass er nicht für den Krieg geboren wurde. Er war ein sehr gebildeter, wohlerzogener und respektvoller Mensch. "

Raschid weigerte sich einen Vertrag mit seiner Einheit zu unterschreiben, wurde deshalb in eine Sturm-V Einheit versetzt und musste bei einem sogenannten "Fleischangriff" mitmachen, bei dem er getötet wurde.

Diese Selbstmordangriffe, in Russland Fleischangriffe genannt, sind eine bewährte Taktik des russischen Militärs. Entbehrliche Soldaten werden in Richtung der gegnerischen Linien geschickt und werden von den Verteidigern beschossen. So identifizieren die Angreifer die gegnerischen Stellungen und nehmen sie unter Artilleriebeschuss. Dass die meisten angreifenden Soldaten dabei sterben, ist dieser menschenverachtenden Strategie geschuldet.

Wir dokumentieren nachstehend die offizielle Nachricht zu seinem Tod vom 1. August 2024 und die vorherige Beschwerde seiner Mutter Anfang Juli.

Witali Sergejewitsch SubkowWahrscheinlich ging es um Geld - um das schnelle Geld. Es ist die Geschichte von Witali Sergejewitsch Subkow aus einem Dorf in der Region Wologda, geboren am 25. Mai 2006. Für den Moment ist er der jüngste russische Kriegsteilnehmer, der in der Ukraine getötet wurde.

Witali hatte am 17. Juni 2024 einen Militärvertrag abgeschlossen, die hohe Antrittsprämie kassiert und ist in den Krieg gezogen. Witali hatte auch keinen Wehrdienst ableisten müssen, er war aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt worden.

Bereits am 3. Juli 24 war der Kontakt mit Witali abgebrochen, ab dem 21. Juli suchten seine Schwester und seine Mutter nach ihm. Am 27. Juli erhielten beide die Nachricht, dass Witali im Krieg getötet wurde.

Sibai Lyzeum

In der Schulzeit des Autors gingen Jungs auf das Gymnasium, Mädchen auf das Lyzeum. Für was für einen Bildungsweg der Begriff Lyzeum in Russland steht, wollen wir hier nicht ergründen - wahrscheinlich auch ein Gymnasium. Unser Foto zeigt eine Abschlussklasse von 2020 des Baschkirischen Lyzeums in Sibai, einer Stadt im Süden Baschkortostans mit etwa 56.000 Einwohnern. Die jungen Frauen im Dienstmädchen-Outfit sind für unsere Augen gewöhnungsbedürftig, man findet sie in Russland aber immer wieder bei festlichen Anlässen.

Der junge Mann hinten in der Mitte ((Foto), der mit breiter Brust in die Kamera schaut, dürfte Inzer Ildarowitsch Jagafarow sein. Seine Schule schreibt über ihn: "Wir erinnern uns an ihn als einen talentierten, intelligenten, aktiven und freundlichen jungen Mann. Er zeichnete sich stets durch seinen Witz, seinen Wissensdurst und seinen aufrichtigen Wunsch aus, anderen zu helfen. Inzer war ein ausgezeichneter Schüler, ein Gewinner von Olympiaden und Wettbewerben... Sport war seine Leidenschaft und er förderte stets einen gesunden Lebensstil."

All die Bemühungen seiner Eltern und Lehrer waren umsonst, Ildar wurde am 30. Juni 24 als russischer Soldat in der Ukraine getötet.

Dmitrij Anasowitsch AleksanjanNach Asat und Hamlet haben wir heute den dritten ethnischen Armenier unter den russischen Kriegstoten. Dmitrij Anasowitsch Aleksanjan kam aus der Stadt Jasny, die ganz am äußersten Osten der Oblast Orenburg liegt. Die Stadt lebt vom Asbest-Abbau, eine Raketengarnison mit Atomsilos liegt in der Nähe und auch die Grenze zu Kasachstan ist nur 24 km entfernt.

Dimitrij wurde am 21. Juni 2001 geboren. Er wäre ein mutiger und kluger Mann, ein fürsorglicher Sohn, ein liebevoller und guter Bruder, ein hilfsbereiter treuer Freund gewesen, heißt es in seinem Nachruf. Denn Dimitrij meldete sich am 22. April 24 zum Kriegsdienst, am 7. Mai 24 war er tot.

Artisch Mongusch

Artisch Anatoliewitsch Mongusch aus dem Dorf Kaa-Chem in Tuwa ist im Krieg gegen die Ukraine gefallen. Auf dem Foto ist er wahrscheinlich der Zweite von links in der vorderen Reihe. Das Foto ist am 3. November 23 entstanden. Es stellt sich die Frage, wieviele der russischen Soldaten davon noch am Leben sind. Artisch wäre als Militär zur Rettung des Vaterlandes gestorben, heißt es im Nachruf.

Kirill Alexandrowitsch BojkowKirill Alexandrowitsch Bojkow, geboren am 10. Juli 2001 in einem Dorf in Burjatien, wird in seinem Nachruf in den höchsten Tönen gelobt. Er hätte nie aufgegeben, nie den Mut verloren, sich stets durch seine Freundlichkeit ausgezeichnet, war bereit, den Bedürftigen in schwierigen Zeiten zu helfen und wurde von seiner Familie, seinen Freunden, Kollegen und allen, die ihn kannten, respektiert.

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