Aktuell registrieren wir verstärkt gefallene Soldaten im Ukraine-Krieg aus den Ural/Wolga-Regionen, aus dem Kaukasus, von den Republiken am Baikalsee und aus Transbaikalien, sogar aus dem ganz fernen Osten wie Murmansk oder Sachalin kommen Meldungen.

Kein Wunder – Russland hat landesweit mobilisiert, viele Rekruten wurden schnell Richtung Front kutschiert und manche kommen genau so schnell im Sarg zurück in ihre Heimat.

Doch erneut fällt auf – aus Moskau und St. Petersburg kommen nur ganz vereinzelt Meldungen, obwohl in beiden Metropolen zusammen über zehn Prozent der russischen Bevölkerung lebt. Und nein – der Grund ist weder Zensur noch unser Unvermögen. Da inzwischen fast alle Todesmeldungen via Soziale Medien erfolgen, wären auch Nachrichten aus den beiden Großstädten immer in unserem Schleppnetz gelandet.

An der Front sterben die Anderen – all die verschiedenen Ethnien, die in den Weiten Russlands siedeln, die Muslime aus den Grenzregionen, aus Baschkortostan, Tartarstan und aus dem Kaukasus, die Buddhisten aus Burjatien, Tuwa und Kalmückien. Und all die Menschen vom Land, aufgewachsen in einfachsten Verhältnissen, ohne große Zukunft, außer im Militär. Oder junge Männer aus durch Arbeitslosigkeit und Alkohol zerstörten Familien aus der Provinz, die im Krieg die finanzielle Chance sehen, dem Schlamassel zu entkommen.

All diese Menschen sterben angeblich, um Russland Frieden und eine strahlende Zukunft zu bringen, um die Traditionen und die Religionen des Landes zu bewahren, um das Land vor dem teuflischen Westen zu beschützen, um Zivilisten und Kinder vor Militanten zu retten oder um die moralischen Schulden gegenüber dem Staatswesen zurückzuzahlen.

Was passiert, wenn all die Menschen in den Regionen erkennen, wie sie benutzt und missbraucht werden? Wie ihre jungen Männer in den Tod in einem letztlich sinnlosen Krieg gehetzt werden, während in Moskau und St. Petersburg die Jugend ein unbeschwertes Leben führt? Und auch die von dort Mobilisierten irgendwo fern der Front sich aufhalten?