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Die Firma Amazon wirft die Webseite Wikileaks von ihren Servern und begründet dies damit, dass Wikileaks nicht über die Rechte an dem veröffentlichten Material verfügen würde. Was für eine Heuchelei! Man kann durchaus nachvollziehen, dass die Firma Amazon nichts, überhaupt nichts mit Wikileaks zu tun haben will. Die Firma will ungestört Geschäfte machen und nicht in die Turbulenzen um die Veröffentlichung von geheimem Regierungsmaterial hineingezogen werden. Der politische Druck in den USA dabei ist immens.

Die Begründungen sind allerdings lächerlich. Das von Wikileaks veröffentlichte Material unterliegt keinerlei Beschränkungen des Urheberrechts. In den USA wie auch in Deutschland sind amtliche Dokumente - und darum geht es - nicht urheberrechtlich geschützt. Selbst die amerikanische Regierung hat es nicht gewagt, so zu argumentieren.

Auch die von Amazon nachgeschobene zweite Argumentation ist wenig überzeugend: Das Material könne dritten Personen Schaden zufügen! Würde Amazon unter diesen Kriterien seinen Bestand an Büchern, Zeitschriften und elektronischen Veröffentlichungen auswählen, wäre die Firma kein ernst zu nehmender Buchhändler mehr. Denn eine Vielzahl von aktuellen, kritischen Titeln müsste aus den Regalen verschwinden.

Auch der DNS-Dienstleister everyDNS.net ist solch ein Heuchler. Der hat heute Wikileaks verbannt, weil durch die DDOS-Attacken angeblich auch die kostenlosen Dienste für ihre vielen anderen Kunden gefährdet worden wären. Dazu muss man wissen, dass everyDNS dieses Jahr vom Branchenprimus DynDNS.org aufgekauft wurde, also kein kleines Licht im Bereich der DNS-Dienstleister darstellt. Man hätte Wikileaks also jederzeit auf eines der Bezahlangebote umstellen können. So sieht es nach einem weiteren Nadelstich gegen die Offenlegungs-Plattform aus.

Meinen Account bei DynDNS werde ich nicht weiter benutzen. Wer aus ähnlichen Gründen Amazon boykottieren will, soll das tun. Ich würde mich dem nicht anschließen, weil ich von solchen Firmen per se nichts anderes erwartet hätte. Allerdings erwarte ich von der -kritischen- Internetgemeinde, dass Wikileaks in dieser Situation eine breite Unterstützung erhält. Denn sonst wird dauerhaft der freie und unzensierte Informationsaustausch im Internet beschädigt.

Die Vorgänge um Julian Assange in Sachen "Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung" scheinen sich inzwischen zu einer politische Verschwörung zu entwickeln. Anders sind der plötzliche schwedische Haftbefehl und die "Red Notice" bei Interpol nicht zu erklären - unabhängig, ob Assange in der Sache schuldig oder nicht schuldig ist.

Es rächt sich, dass es sich bei Wikileaks um eine Ein-Mann-Veranstaltung handelt. Assange hält alle Fäden in der Hand, schaltet man ihn aus, schaltet man Wikileaks aus. Jetzt muss der Mann sich gleichzeitig gegen einen Haftbefehl wehren, die Server des Projekts gegen DDOS-Angriffe verteidigen, den Angriffen der US-Regierung stand halten, neue Vereinbarungen mit Hostern und Providern treffen, dazu inhaltlich Wikileaks in der Öffentlichkeit vertreten und auch noch ständig Geld auftreiben.

Die aktuelle Konzeption von Wikileaks ist falsch - das ist keine Frage. Die One-Man-Show des Julien Assange macht das Projekt zusätzlich angreifbar und verletzlich. In der augenblicklichen Sache gilt es den Mann zu unterstützen, doch es wird dringend Zeit gegenüber dem Solotänzer weiter Druck aufzubauen, um das Projekt letztlich auf eine breite Basis zu stellen.