ImageManche Juristen, die eigentlich unserem Grundgesetz verpflichtet sind, scheinen dieses eher zu gefährden. Am Donnerstagabend konnte man solch einen Anwalt im Fernsehen bewundern. Der verstieg sich in die Behauptung, ein Diskussionsforum gliche einer geladenen, gefährlichen Waffe - einer Pumpgun, die man nicht unbeaufsichtigt auf einer Parkbank liegen lassen dürfe. Da hat der Mann Jura studiert und doch wenig begriffen. Solche Foren sind Ausdruck der demokratischen Rechte der Bürger - unserer aller Grundrechte: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten," heißt es im Artikel 5 unseres Grundgesetzes. So einfach ist das.

Eine Pumpgun müsse man bestens bewachen, damit nichts passiert. Genau so müsse man mit Foren verfahren, meinte jener Anwalt Tobias Strömer in der Sat1-Sendung Planetopia. Die hatte über die Nöte von privaten Forenbetreibern und Bloggern berichtet, deren Existenz durch klagewütige Unternehmen erschwert oder letztlich unmöglich gemacht wird. Der Mann soll angeblich Ahnung von Internetrecht haben, bewiesen hat er das in der Sendung nicht. Denn ein Anwalt, der die Wahrnehmung von grundgesetzlich verbrieften Rechten als höchst gefährlich darstellt, hat sich endgültig im Gewirr der Juristerei verheddert. Statt Bürgern beizustehen, ihre Rechte wahrzunehmen, empfiehlt man denen, besser das Maul zu halten.

Auch der Tübinger Soziologe und Jurist Erich Fechner verglich in der Juristenzeitung die Meinungsfreiheit mit einer Waffe - allerdings unter gänzlich anderen Gesichtspunkten: "Eine wesentliche Funktion der Meinungsfreiheit besteht vielmehr seit jeher darin, dass sie denjenigen eine Waffe bietet, denen andere Machtmittel zur Verteidigung ihrer Rechte und rechtlich anerkannter Interessen gegen schädliche Eingriffe nicht zur Verfügung stehen. In dieser Schutzfunktion ist die freie Meinungsäußerung ein notwehrähnliches Recht, und sie erhält wie die Notwehr ihre besondere Rechtfertigung aus der rechtlich anerkannten Schutzbedürftigkeit der Güter und Interessen, die gegen rechtswidrige Angriffe verteidigt werden."

Für unseren Strömer stellt die Meinungsfreiheit eine Bedrohung dar - die Pumpgun in der Hände des Pöbels, für Fechner ist sie ein Machtmittel der Unterprivilegierten zur Verteidigung ihrer Rechte. Und schaut man die momentanen gerichtlichen Auseinandersetzungen zum Thema Internetforen an - dann geben diese Fechner unbedingt Recht. Das Thema ist meist David gegen Goliath. Da wird das Forum Computerbetrug wegen angeblicher Rechtsberatung angegangen, das Supernatureforum wird von einer Luftrettungs-Vermittlungs-Firma abgemahnt oder ein Forenschreiber soll keine eMails mit Erfahrungsberichten über eine Webdesign-Firma verschicken - um nur einige zu nennen. Es wird Zeit das Thema Computerforen aus dem kleinlichen Sumpf von Gewerbeschutzrechten, Wettbewerbsstreitigkeiten und banalen Urheberrechtsverstößen herauszuziehen. Und die Foren zu dem zu machen, was sie eigentlich sind - eine moderne Umsetzung unseres Rechts auf freie Meinungsäußerung. In denen es nach Meinung des Autors - wie übrigens im Gerichtssaal oder im Parlament auch - mal heftig zur Sache gehen kann, ohne dass gleich Gerichte bemüht werden müssen.