Masse statt Klasse

Der Monat September soll der bisher verlustreichste Monat der russischen Armee im Krieg gegen die Ukraine gewesen sein. Durch die russischen Offensivaktionen an fast allen Frontabschnitten wurden geringe Geländegewinne erzielt und dabei in Kauf genommen, dass sehr viele Soldaten getötet oder schwer verletzt wurden.  Es ist die Logik dieser russischen Kriegstaktik geschuldet, dass man mit der schieren Masse des eingesetzten Materials - an Menschen und an Technik, ohne Rücksicht auf die eigenen Verluste, sich diese "Erfolge" erkauft.

Wir können die tatsächlichen Verluste des Septembers noch nicht abschätzen, da die Todesmeldungen uns erst mit reichlicher Verspätung über die sozialen Netzwerke erreichen.

Und doch zeigen eine Vielzahl von Beispielen die Grenzen dieses menschenverachtenden Vorgehens des russischen Militärs auf.

Auf Grund der hohen Verluste an Panzern und gepanzerten Mannschaftstransportern, werden die Angriffe teilweise mit Strandbuggys oder Rudeln von Motorrädern durchgeführt. Die attackierenden Soldaten sind dadurch fast schutzlos und die Opferzahlen sind entsprechend groß.

Aber auch die verfügbaren, entbehrlichen Soldaten werden rar. Der Nachschub aus den Haftanstalten erschöpft sich mit der Dauer des Krieges, die Gefangenen wissen um die geringen Überlebenschancen der Sturm-V Soldaten. Und auch des Reservoir an Alkoholikern, Drogenabhängigen und anderen im Leben gescheiterten Menschen ist nicht unendlich groß.

Ein deutliches Indiz dafür ist die steigende Anzahl junger Menschen, die sich als Freiwillige beim Militär verpflichtet haben und die im Sarg zurück nach Hause kommen.  Im September hatten wir 236 Kriegstote, die im neuen Jahrtausend geboren wurde - also 24 Jahre und jünger. Da wir nur etwa von jedem zweiten Kriegsopfer das Alter wissen, kann man die Anzahl auf etwa 500 verdoppeln - etwa 10 Prozent.

Diese jungen toten Soldaten fallen nicht unter die Rubrik "entbehrlich" und so gibt es in der Heimat regelmäßig einen großen Aufschrei, wenn solch junge Menschen, "die noch nichts von der Welt gesehen hätten", in diesem Krieg geopfert wurden.

Nicht zuletzt die immer weiter steigenden ausgelobten Prämien für die Unterschrift unter einen Freiwilligenvertrag zeigen, dass es für die russische Armee immer schwieriger wird, jene 30.000 frische Soldaten aufzubringen, die man im Vormonat an der Front durch Verletzung oder Tod verloren hat.

"Noch einen solchen Sieg über die Römer, - dann sind wir vollständig verloren!", meinte einst König Pyrrhus im Jahr 279 v. Chr. nach einem Kampf gegen die Römer. So einfach stellt sich die Sachlage in der Ukraine nicht, aber der Trend geht - auf längere Sicht - in diese Richtung.