Quer durch die Foren gibt bestimmte Reizthemen und Reizworte. Kommt ein Beitrag verdächtig daher, gebraucht ein Mitglied einen Begriff  absichtlich oder unabsichtlich quer zum Mainstream, dann kann es sein, dass er damit einen virtuellen Mob lostritt. Und dann setzt sich eine wilde Meute von Dumpfbacken in Bewegung und trampelt alle Argumente nieder, die sich ihnen in den Weg stellt. Solch menschliche Dummheit bedarf keiner Szene, wie ein aktuelles Beispiel aus den Heise-Foren zeigt.

Dabei war das Thema durchaus recht ernsthafter Natur. Eine Schweizer Untersuchungsrichterin hat verfügt, dass auf eine Webseite, gehostet auf einem amerikanischen Geocity-Account, nicht mehr in der Schweiz über das Internet aufgerufen werden kann. Die großen Internetprovider sollen also den Zugang zu dieser Webseite unterbinden. Bei der Webseite Appel au Peuple (Aufruf ans Volk) geht es um angebliche Korruption in der Schweiz. Die Webseiten waren zuerst unter der Domain appel-au-peuple.org zu erreichen, den Betreibern wurde dann eine weitere Veröffentlichung der Inhalte durch gerichtlich untersagt.  Die Webseite entzog sich dem Zugriff der Schweizer Justiz indem alle Inhalte auf einen anonymen Geocity-Account verlagert wurden. Und den sollen Schweizer jetzt nicht mehr angucken dürfen.

Solche Entwicklungen gehen uns alle an. Denn dem internationalen Internet möchte die lokale Justiz gerne ihren Stempel aufdrücken und Einfluss auf die Inhalte nehmen. Meist sollen Begriffe wie "Recht auf freie Information", Toleranz und Meinungsvielfalt niedergebügelt werden mit dem angeblichen Kampf gegen rechtsradikalen Auswüchse oder sexuelle Abartigkeiten. So war auch die Resonanz auf diesen Artikel groß, viele Leser kommentierten die Verfügung der Schweizer Richterin negativ.

Doch es gab auch andere Stimmen. Einige Beitragschreiber sahen hinter den Urhebern der Webseite Appel au Peuple Antisemiten am Werk. So schrieb Ishmael in einem Beitrag: "Die Site enthält antisemitisches Gewäsch! Wenn jemand die "Weisen von Zion" für den Verderb der schweizer Sitten indirekt verantwortlich macht, kann man ihn nicht sehr ernst nehmen. Aber wer für die Meinungsfreiheit ist, muss leider auch die Meinung von Antisemiten in Kauf nehmen. In diesem Sinne: kauft keine Kuckucksuhren!" Mal abgesehen davon dass es eigentlich um die Schweiz ging und nicht um den Schwarzwald, aus dem ja die Kuckucksuhren kommen sollen, blieb ein ernst zu nehmender Vorwurf im Raum stehen. Nämlich dass in einer Debatte die "Protokolle der Weisen von Zion" zitiert wurden. Diese Protokolle sind fiktive Dokumente, deren Ursprünge in 19. Jahrhundert zurückreichen und die vorgaben, dass von Verschwörern eine jüdische Weltherrschaft angestrebt würde.

Damit hatte die Diskussion schlagartig eine neue Dimension erreicht. Will man den ewig Gestrigen auch das Recht geben, ihre schalen Verschwörungstheorien unters Volk zu bringen oder helfen solch mutige Richter mit ihren Urteilen, dass solch ein Gedankengut im Keim erstickt wird. Die Debatte hatte ein jähes Ende. Denn das Mitglied gfc brachte endlich die Erkenntnis: "Die Weisen von Zion? liebe Deutschen (semiten), schaut mal ne Landkarte an!" Denn bei den vermuteten "Weisen von Zion" handelte es sich um einen peinlichen Übersetzungsfehler. Der französische Begriff "sages de Sion" wurde mit den "Weisen von Zion" übersetzt. Sion (deutsch Sitten) dagegen ist aber ein schönes Städtchen in der Schweiz und die Weisen von Sion sind nichts anderes als die Richter aus Sion.

So hat die Debatte um rechtsradikales, antisemitisches Gedankengut ein schnelles Ende genommen. Und man konnte sich wieder dem eigentlichen Thema widmen. Nämlich den Widerspruch zwischen dem Internet, das keine staatlichen Grenzen kennt und Provinzrichtern, die gerne dem Medium staatliche Grenzpflöcke verpassen würden.


Für alle die es genau wissen wollten. Der komplette französische Satz lautete:
Elle répond ainsi à tous niveaux au point 1 du Protocole des Sages de Sion et obtient ainsi une place privilégiée dans le Nouvel Ordre Mondial

Übersetzt heißt das in etwa:
Sie entspricht so in allen Ebenen dem Punkt 1 des Protokolls der Sittener Richter und erhält so eine bevorzugte Stelle in der neuen weltweiten Ordnung.