Leid & Mitleid
Mehr als 50.000 Meldungen über gefallene russische Soldaten haben wir inzwischen bearbeitet und obwohl alle Täter in einem verbrecherischen Krieg sind, sind sie auch gleichzeitig Opfer eines gnadenlosen Systems. Es sind die einfachen Menschen aus den abgehängten Regionen Russlands, Landarbeiter, Traktorfahrer, Rentierhirten, Arbeiter in der Holzwirtschaft, Bauarbeiter, Schweißer, die als Freiwillige ohne große Ausbildung an die Front geworfen werden und dort den schnellen Tod erleiden. Damit die russische Militärmaschine vielleicht wieder wenige Kilometer vorrücken kann. Die einfachen Leuten werden mit viel Propaganda und mit noch mehr finanziellen Zuwendungen zum Kriegsdienst geködert. Alle erhoffen sich damit ein gutes Leben zu erkaufen, finden aber meist nur den Tod. Diese Menschen verdienen trotz allem unser Mitleid.
Dem steht gegenüber der kalt lächelnde russische Präsident Putin, der in einer aktuellen Fragestunde zu den russischen Verlusten Stellung genommen hat, bar jeder Empathie für das Leid all der vielen Angehörigen von getöteten Soldaten und den vielen Schwer- und Schwerstverletzten in den russischen Krankenhäusern Russlands.
In dieser Runde mit den Leitern europäischer Nachrichtenagenturen am 5. Juni 24 stellte der Vertreter der "Agence France-Presse" die Frage, warum Russland nicht die Anzahl der Verluste im Krieg gegen die Ukraine offenlegt:
Wladimir Putin: "Wenn Sie nur daran interessiert sind, kann ich Ihnen sagen, dass in der Regel niemand darüber spricht. Und wenn doch, verzerren sie in der Regel die tatsächlichen Zahlen. Ich kann Ihnen mit absoluter Sicherheit sagen, dass unsere Verluste, insbesondere die irreparablen Verluste, leider um ein Vielfaches geringer sind als auf ukrainischer Seite... Wenn wir über ungefähre unwiederbringliche Verluste sprechen, dann ist das Verhältnis eins zu ungefähr fünf. Davon werden wir ausgehen. Genau das ist der Grund für den Versuch, in der Ukraine eine vollständige Mobilisierung durchzuführen: weil sie auf dem Schlachtfeld große Verluste erleiden."
Richtig ist, auch die ukrainischen Verluste an Menschen sind zu hoch, viel zu hoch. Aber die Relationen sind glatt gelogen, sie dürften etwa umgekehrt richtig sein - allgemein geht man von einem Verhältnis von drei Russen auf einen Ukrainer aus.
Vergleiche mit vergangenen Kriegen hinken meist, aber es gibt auch Ähnlichkeiten. Der Winterkrieg der Sowjetunion Ende 1939 gegen Finnland dauerte nur 3,5 Monate und endete mit der Eroberung von großen Teilen Kareliens durch den Aggressor Sowjetunion. Eine überlegene Armee führte Krieg gegen ein kleines Land ohne große Verbündete. Und trotzdem konnten die Finnen der Sowjetarmee riesige Verluste an Menschen und Material zufügen. Wir haben die sowjetischen Verluste in unsere Tabelle der Opferzahlen aus anderen Kriegen hinzugefügt.