Vierzig Jahre Kernenergie haben uns eine gefährliche Hypothek hinterlassen. Allein in Deutschland sind in dieser Zeit etwa 200.000 Kubikmeter radioaktive Abfälle entstanden. Die so genannte Wideraufarbeitung löst das Problem keineswegs. Denn bei diesem Prozess entstehen noch mehr Abfälle als vorher vorhanden. Atomare Endlager müssen 100.000 Jahre sicher sein – ein für Menschen unvorstellbar langer Zeitraum. Deshalb wehren sich seit Jahren viele Menschen im Wendland, dass die Salzstöcke von Gorleben und Umgebung zum ultimativen Atommülldepot in Deutschland werden.
Jetzt ist wieder Herbst und damit die Jahreszeit für die nächsten Castor-Transporte. Um die üblichen Konfrontationen zwischen Polizei und Demonstranten etwas abzumildern hat die Niedersächsische Polizei ein Diskussionsforum eingerichtet.

Im französischen La Hague wird im Moment ein neuer Transport zusammengestellt. Zwölf Castor-Behälter sollen sich am 11. November 02 auf den Weg nach Gorleben machen. Die Niedersächsische Landesregierung hat deshalb für die Zeit ab dem 9. November ein großflächiges Demonstrationsverbot für die Region verhängt. In einem Korridor beidseits der Transportroute sollen alle Proteste verhindert werden. Dabei sind die Aktionen der Demonstranten allenfalls kleine Nadelstiche – mehr nicht. Denn ein zerstörtes Stromkabel oder an Bahnschienen gekettet Jugendliche können den Transport allenfalls um Stunden verzögern, verhindern können sie ihn sowieso nicht. Die eigentliche Gefahr könnte jedoch von terroristischen Anschlägen ausgehen. Dabei ist die Gefahrenlage weitaus höher, als bei den Anschlägen auf das WTC vor einem Jahr.

Bereits zum letzten Castor-Transport vor einem Jahr hat die Polizei ein Diskussionsforum eingerichtet, das zwischen den Demonstranten und den Ordnungsbehörden vermitteln sollte. Das Interesse war ziemlich groß, allerdings verebbten die Debatten danach ziemlich schnell. Das Forum wurde geschlossen. Jetzt nachdem wieder ein Transport vor der Tür steht, wird der Service im Auftrag der Bezirksregierung Lüneburg neu angeboten.

Der Webmaster der Polizei Biedersachsen Andreas K. schreibt dazu: „Das Team aus dem Einsatzabschnitt Öffentlichkeitsarbeit und Konfliktmanagement und natürlich auch das Webteam des Polizeiamt für Technik und Beschaffung Niedersachsen steht Ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung. Wir freuen uns auch über Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet und laden herzlich ein, ihre Eindrücke und Empfindungen auch aus ihrer Sicht hier darzustellen.“

Unter den Kernkraft-Gegener hat das Forum ein geteiltes Echo gefunden. Einige haben Angst über eMail- und IP-Adresse ausgespäht zu werden. Der verantwortliche Webmaster bestreitet allerdings, dass LogFiles ausgewertet würden. Auch die eMail-Adressen würden nicht auf Gültigkeit hin überprüft. Und auch dem Einwurf von Kastius „Die Bullen können so herausfinden, wer alles zur Demo kommen will!“ widersprechen einige Atomgegner wie Godeke Klinge: „UUUUUHHHHH, wie schlimm!!! Die "Bullen" könnten rauskriegen, wer alles zur Demo kommen will! Ist wohl 'n großes Geheimnis, wie? Wenn Du aktiv gegen den CASSTOR und den Atomkonsens demonstrieren willst, dann stell Dich sichtbar an die Ladekran oder auf die Straße!
Die "Bullen" gucken sich bestimmt mit 'ner Strichliste das Forum an und wundern sich dann, wie viele Atomkraft-Gegner es gibt. Die ganze Aktion ist doch längst Ritual, man weiß lange vorher, wie viele Leute zu erwarten sind (es werden von mal zu mal weniger) und stellen sich darauf ein (=weniger Polizisten). Hast Du etwa Angst, Dein demokratisches Recht zum gewaltfreien Protest wahrzunehmen? Hauptsache, das Feindbild bekommt keine Risse. Übrigens: ich bin kein Polizist.
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Auf Grund der Erfahrungen vom letzten Jahr kommentiert ein Anderer: "Diskussionsforen etc. sind ja eigentlich eine gute Idee. Die Pressemitteilungen während der Transportzeit aber hätten die Gebrüder Grimm auch nicht besser schreiben können."

Wer immer sich in den nächsten Tagen über den Verlauf des Castor-Transports informieren möchte, dürfte im Diskussionsforum interessante Beiträge finden. Vielleicht ist es diesmal auch möglich, unsere Staatsdiener in eine längere Debatte über Kernkraft und Staatsmacht zu verwickeln.